Der Finanzmarkt-Kapitalismus (FMK) beschreibt den gestiegenen Einfluss der Finanzmärkte auf die Realökonomie und die Verbreitung der streng an den Aktionären orientierten Unternehmensführung. Diese Arbeit untersucht, welchen Einfluss er auf die österreichische Wirtschaft hat bzw. einige für ihn charakteristische Phänomene, also vor allem die aktionärsorientierte Unternehmensführung als Reaktion auf den aktiven Markt für Unternehmenskontrolle und den Aufstieg der institutionellen Anleger als Lösung des Problems um Eigentum und Kontrolle in der AG. Der Varieties of Capitalism-Ansatz wird dem FMK gegenübergestellt, weil er die Beständigkeit der Unterschiede zwischen nationalen Kapitalismusarten betont. Genauer analysiert werden für die Jahre 2001 bis 2011 die heute 39 größten, heimischen AGs. Eine konzentrierte Eigentümerstruktur mit strategischen Kernaktionären, also die Dominanz des geduldigen Kapitals, kann bestätigt werden. Staat und Banken sind u.a. mächtige Kernaktionäre bzw. Stimmrechtsverwalter. Typisch sind außerdem die einflussreiche Arbeitnehmervertretung und die gesetzlich verankerte Stakeholder-Orientierung bzw. eine weitestgehend fehlende Kapitalmarktkultur. Viele Aspekte der aktionärsorientierten Unternehmensführung wurden dennoch übernommen: Unternehmenserfolg wird in Shareholder Value-Kennzahlen angegeben, Transfermechanismen wie Übernahmen und Aktienoptionen verbreiten die Logik des FMK, Aktienrückkäufe sind meist Teil kapitalmarktorientierter Strategien. Den Markt für Unternehmenskontrolle oder institutionelle Aktivisten kann man dafür kaum verantwortlich machen, auch nicht den dringenden Bedarf an Auslandskapital, sehr wohl aber in gewissem Maße gezielte Managemententscheidungen. Verhandelter Shareholder Value wird betrieben, die Entwicklung befindet sich irgendwo zwischen der Kontinuität alteingesessener Institutionen und der Konvergenz zum marktdominierten FMK, vor allem aufgrund der Hartnäckigkeit einiger historisch langsam gewachsener Faktoren.
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